Tee

Sonntag, Oktober 09, 2005

Deutscher Teeverband

Deutscher Teeverband Herbst 1998 Deutsches Tee-Wissenschaftlicher Informationsdienst Tee e-Institut Die Mär vom Eisenräuber Prof. Dr. Irmgard Bitsch, Institut für Ernährungswissenschaften, Universität Gießen Disler et al. waren die ersten, die einen Hemmeffekt von Tee auf die Eisenabsorption beim Menschen beobachteten. Diesen konnten sie sowohl für Eisensalze in pharmazeutischen Präparaten als auch für Nahrungseisen nachweisen. Als Mechanismus vermuteten sie eine Komplexbildung im Dünndarm zwischen den sog. „Tanninen„ des Tees, die sie allerdings nicht näher spezifizierten, und dem Nichthämeisen (DISLER et al. 1975 b). Derartige Komplexverbindungen sind sehr stabil. Das in ihnen gebundene Eisen steht daher nur eingeschränkt für die Absorption zur Verfügung. Diese Erkenntnisse machten sich de Alarcon et al (1979) bei Thalassämie-Patienten zu nutze: Wegen häufiger Bluttransfusionen mit Sideroserisiko erwies es sich als günstig, in Phasen gesteigerter Eisenabsorptionsraten Tee als Hemmstoff zu verabreichen. Den Autoren gelang dadurch eine Verminderung der Eisenaufnahme ihrer Patienten zwischen 41 und 95 Prozent. Auf diesen eleganten präventiven Ansatz wurde von Vaisrub (1979) unter dem Titel „Teatime for thalassemia„ hingewiesen. Auch bei der primären Hämochromatose wird empfohlen, die Bioverfügbarkeit des Nahrungseisen durch Tee auf einen niedrigen Level einzustellen (BORCH-JOHNSON 1997). Zum molekularen Mechanismus der Eisenkomplexierung durch spezielle Teeinhaltsstoffe ist bisher wenig bekannt. Nach Brune et al. (1991) sind es vor allem Verbindungen mit 3 oder 2 phenolischen Hydroxylgruppen, die Nichthämeisen binden. Von den Komplexen scheinen vorwiegend diejenigen zwischen 3-wertigen Eisenionen und Verbindungen mit 3-phenolischen OH-Gruppen an einem Benzolring so stabil zu sein, dass das in ihnen fixierte Eisen im Intestinaltrakt nicht absorbiert werden kann. So fanden Brune et al. (1989) eine dosisproportionale Hemmung der Eisenresorption nach Zusatz von Gallussäure zu einer Testmahlzeit. Wurde anstelle von Gallussäure Tee verwendet, so bestand eine direkte Proportionalität zwischen Hemmeffekt und den im Tee enthaltenen Verbindungen mit Galloylgruppen. Zusatz von Catechin, welches 2 Benzolringe mit jeweils 2 phenolischen OH-Gruppen besitzt, zur Testmahlzeit beeinträchtigte dagegen die Eisenresorption nicht. Einige Autoren versuchten Mechanismen und Dosis-Wirkungs-Beziehungen durch Einsatz von Tanninen (Gallusgerbsäuren, Tanninsäuren) aufzuklären (GILLOOLY et al. 1983, SIEGENBERG et al. 1991). Sie setzten die Tannine Testlebensmitteln in unterschiedlichen Konzentrationen zu und prüften den Einfluss auf die Eisenverfügbarkeit bei Versuchspersonen. Da Tannine, die sog. hydrolisierbaren Gerbstoffe, in Tee nicht vorkommen, Tee vielmehr eine Fülle anderer monomerer und polymerer Polyphenole besitzt, deren Struktur in den letzten Jahren umfassend aufgeklärt werden konnte (MAIER und ENGELHARDT 1992-1997), sind die Ergebnisse von Gillooly et al. und Siegberg et al. zur Aufklärung möglicher Zusammenhänge zwischen Teekonsum und Eisenaufnahme nicht geeignet. Deutsches Tee-Institut Gotenstraße 21 ⋅ 20097 Hamburg ⋅ Tel.: 040 / 23 60 16-0 ⋅ Fax: 040 / 23 60 16-10 ⋅ E-Mail: tee@wga-hh.de Deutsches Tee-Wissenschaftlicher Informationsdienst Tee e-Institut Wenig aussagekräftige Daten liefern auch Experimente mit Ratten, obwohl diese öfter durchgeführt worden sind. Inhibitoren (z.B. Phytate und Polyphenole) und Aktivatoren (z.B. Ascorbinsäure und Fleisch) der intestinalen Nichthämeisenabsorption sind bei der Ratte deutlich weniger effektiv als beim Menschen. Einen Einfluß von Tee auf die Eisenabsorption konnten die meisten Autoren nicht demonstrieren (REDDY et al. 1991; HURREL 1996, LATUNDE et al 1998). Untersuchungen am Menschen zum Einfluss des Teekonsums auf die Verfügbarkeit des Nahrungseisens und den Eisenstatus sind relativ selten. Gut dokumentiert ist die spezifische Hemmwirkung der Polyphenole des Tees und anderer pflanzlicher Lebensmittel auf die Resorptionsquote des Nichthämeisens, nicht aber auf die des Hämeisens. Welche Konsequenzen sich hieraus jedoch für die Eisenversorgung des Menschen ergeben, ist bisher nur unzureichend überprüft worden. Eine der wenigen Studien zu dieser Fragestellung ist die von Merhav et al. (1985) an 122 israelischen Kindern im Alter von 6-12 Jahren. Ermittelt wurden verschiedene Parameter des Eisenstoffwechsels, der Teeverbrauch und die Ernährungsgewohnheiten. Bei den teetrinkenden Kindern wurde im Vergleich zu den nicht-Tee-trinkenden signifikant häufiger eine Eisenmangelanämie diagnostiziert. Insgesamt lag allerdings die Eisenversorgung in beiden Gruppen unter den Empfehlungen für eine optimale Zufuhr, da die Ernährung vorwiegend aus Milch und pflanzlichen Lebensmitteln bestand und praktisch kaum Hämeisen enthielt. Der im Gesamtkollektiv verbreitete unzureichende Eisenstatus geriet durch z.T. beträchtliche Teemengen (50-750 ml/Tag) in den kritischen Bereich. Leider wurde kein Vergleichskollektiv mit optimaler Eisenversorgung in die Auswertung mit einbezogen. Auch die wenigen übrigen Untersuchungen am Menschen zeigen, dass eine durch Tee induzierte Eisenmangelanämie sich praktisch ausschließlich auf der Basis einer hämeisenfreien bis hämeisenarmen Ernährung entwickeln kann, wenn Eisenspeicher entleert sind (GALAN et al. 1985) oder die Nahrung zu wenig Ascorbinsäure enthält (RAZAGNI et al. 1991). Ascorbinsäure verhindert bekanntlich die eisenkomplexierende Wirkung von Polyphenolen. Fasst man alle bekannten Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit des Nahrungseisens beim Menschen in Modellrechnungen zusammen, lässt sich die Eisenresorption aus unterschiedlich zusammengesetzten Kostformen ermitteln (BITSCH 1996). Insbesondere für die Beratung vulnerabler Gruppen besitzt dieses Verfahren eine gute Aussagekraft. Die Verminderung der Nichthämeisenverfügbarkeit durch Teekonsum wird dabei mit 6-16% angesetzt und hängt von den getrunkenen Mengen ab (TSENG et al. 1997). In folgender Tabelle werden die Daten zur Eisenresorption aus Mahlzeiten nach Bitsch (1996) durch Einbeziehung eines geschätzten Teeeffektes dargestellt. Deutsches Tee-Institut Gotenstraße 21 ⋅ 20097 Hamburg ⋅ Tel.: 040 / 23 60 16-0 ⋅ Fax: 040 / 23 60 16-10 ⋅ E-Mail: tee@wga-hh.de Deutsches Tee-Wissenschaftlicher Informationsdienst Tee e-Institut Resorbierbare Eisenmenge (mg) aus Mahlzeiten mit und ohne Teekonsum ohne Tee mäßig Tee viel Tee Fleischmahlzeit 1,65 1,63 1,61 Gemischte Kost 1,38 1,31 1,20 rein pflanzl. Kost 1,20 1,13 1,01 Die Daten der Tabelle belegen die bekannte Tatsache, dass durch Teetrinken die Eisenresorption aus Fleischmahlzeiten (40% Häm-Fe, 60% Nicht-Häm-Fe) praktisch nicht beeinträchtigt werden kann. Bei einer gemischten Kost und ständig hohem Teekonsum würde sich jedoch empfehlen, den Tee mit einem größeren Abstand zu den Mahlzeiten zu verzehren, um den Kontakt zwischen Nahrungseisen und Teepolyphenolen im Intestinaltrakt zu minimieren. Noch wichtiger ist die Beachtung dieser Regel bei Verzehr der angeführten rein pflanzlichen Kost, welche die geringsten Mengen verfügbaren Eisens enthält. Resumée Als Resumée kann festgestellt werden, dass der Einfluss des Teekonsums auf die Eisenversorgung des Menschen häufig überschätzt wird. Zwar können Teepolyphenole das Nichthämeisen im Magen-Darm-Trakt des Menschen komplexieren, wodurch es weniger verfügbar wird. Dieser Effekt konnte nicht nur in vitro, sondern auch in vivo überzeugend demonstriert werden (HALLBERG et al. 1982). Eine negative Auswirkung des Teekonsums auf den Eisenstoffwechsel des Menschen wurde jedoch bisher nur in sehr wenigen Fällen und nur bei extremen Ernährungsgewohnheiten (wenig Hämeisen in der Nahrung) sowie sehr hohem Teekonsum nachgewiesen. Neuere Veröffentlichungen legen daher mittlerweile den Schwerpunkt in ihren Arbeiten auf die positiven Aspekte der Interaktionen von Eisen und Polyphenolen im Organismus des Menschen. So wird mittlerweile der Chelatisierung von Fe2+-Ionen durch Polyphenole eine besondere Bedeutung beigemessen, da hierdurch die Bildung von Sauerstoffradikalen und Lipidperoxidationsprodukten unterdrückt werden kann (van ACKER et al. 1998). Möglicherweise ergibt sich hieraus eine schlüssige Erklärung für die Schutzwirkung des Tees vor Arteriosklerose und anderen Zivilisationskrankheiten des Menschen, auf die in den letzten Jahren verschiedene Autoren aufmerksam gemacht haben (SERAFINI et al. 1996). Deutsches Tee-Institut Gotenstraße 21 ⋅ 20097 Hamburg ⋅ Tel.: 040 / 23 60 16-0 ⋅ Fax: 040 / 23 60 16-10 ⋅ E-Mail: tee@wga-hh.de Deutsches Tee-Wissenschaftlicher Informationsdienst Tee e-Institut LITERATUR 1. DISLER, PB; LYNCH, SR; CHARLTON, RW et al. (1975) The effect of tea on iron absorption; Gut 16, 193-200 2. DISLER, PB; LYNCH, SR; TORRANCE, JD et al. 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